- 17. März 2022
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. März 2022
Ich gehöre in die Kategorie der Menschen, die alles zerdenken. So natürlich auch beim Thema Hund. Passt ein Hund wirklich in mein Leben? Schränkt er mich nicht zu sehr ein? Kann ich mit der Verantwortung umgehen? Wie wird mein Leben sein? Brauch ich einen Trainer und welcher ist der richtige? Habe ich genug Zeit für mein Tier? Was sagt meine Familie dazu? Wird meine Familie sich gut mit dem Hund verstehen? ...
Alles Fragen die ich vor- und zurückgedacht, und mich dann noch hundert mal im Kreis gedreht habe. Auf die meisten Fragen habe ich mir, bestmöglich versucht selbst die Antworten zu geben. Mithilfe der Erfahrungen anderer und meiner eigenen Lebenserfahrungen. Was es für mich aber wirklich bedeutet, das Leben mit einem Hund zu teilen, kann ich wohl erst jetzt richtig beantworten. Über die Zeit, durfte ich nämlich einiges lernen, habe alte Vorstellungen und Vorurteile abgelegt und habe diese durch neue Einsichten und Erkenntnisse ersetzt.
Ich habe gelernt..

.. dass die Meinung anderer vollkommen egal ist und man sich davon nicht verunsichern lassen muss.
Das kann man so auf nahezu jeden Lebensbereich übertragen, aber besonders bei neuen, einem unbekannten Situationen, wird man doch sehr von der Meinung anderer beeinflusst und in meinem Fall, auch verunsichert. Schon die Entscheidung überhaupt einen Hund haben zu wollen, wurde von meinem Umfeld sehr stark hinterfragt. Aussagen wie: "Nina du bist noch zu jung dafür, lass dir Zeit" oder ähnliche habe ich in dieser Zeit ständig gehört. Und natürlich lässt einen das nicht kalt. Man fragt sich, ob man nicht doch eine unrealistische Vorstellung hat, oder ob man dem ganzen doch nicht gewachsen ist. Und auch als der Hund dann da war wurden die Leute nicht müde mir zu sagen, dass ich mich dabei übernommen hätte, wie der Hund zu sein hat und, dass Dieses oder Jenes nicht normal sei. Am Anfang haben mich solche Kommentare sehr verunsichert.
Als dann noch der Hunderteiner meinte, dass so ein Hund nicht in die Hände eines so jungen, unerfahrenen Paares gehört, war ich vollends verunsichert. Mit der Zeit durfte ich aber immer mehr lernen, dass ich mich auf meine eigenen Intuitionen ruhig verlassen darf und nicht von den Gedanken oder Meinungen anderer abhängig bin. Andere Hundehalter wissen auch nicht immer alles besser, denn nur weil ihr Hund so oder so regiert, muss meiner das noch lange nicht tun. Die eigene Familie möchte einen vielleicht nur beschützen, aber auch sie denkt, empfindet und sieht nicht all die Dinge, die ihr seht und das ist letztendlich das worauf es ankommt. Ihr müsst glücklich sein, nicht die anderen. Und selbst ein Hundetrainer kann mit seiner Einschätzung daneben liegen.

..dass der Besuch einer Hundeschule nicht immer da Richtige ist.
Das Thema Hundeschule und Hundetrainer ist auch ein Thema, über das ich viel lernen durfte, und musste. Um es gleich vorweg zu nehmen, ich bin nicht gegen einen Trainer oder den Besuch einer Hundeschule. Beides kann dir bei der Erziehung deines Hundes eine enorme stütze sein. Allerdings, ist nicht jede Hundeschule oder jeder Trainer etwas für jeden Hund, und umgekehrt. Wenn ich kein gutes Gefühl bei dem Trainer habe, oder er mir und meinem Hund mit einer negativen Grundeinstellung begegnet, bin ich besser beraten ich lese mir eigenes Wissen an und versuche damit erst einmal selbst weiter zu kommen. Stattdessen war für mich die Meinung der Trainer immer irgendwie "gesetzt". Ich dachte, wenn es einer wissen wird, dann wohl er. Und was kann ich schon beurteilen, als Laie.
Nur, ich war zwar ein Laie, was langjährige Erfahrung mit Hunden angeht, hatte mir aber viel Wissen angeeignet und lebte immerhin schon seit geraume Zeit mit dem Hund zusammen, konnte ihn somit lesen und verschiedene Situationen eigenständig beurteilen. Wen ein Trainer dass nicht anerkennt, ist er für euch, eueren Hund und die Beziehung zwischen euch, wahrscheinlich nicht so hilfreich wie ihr euch das erhofft.
.. dass, das Schwanzwedeln eines Hundes nicht immer Freude bedeutet.
Einen Hund zu lesen zu können, ist für mich das größte learning von allen. Früher dachte ich, naiver Weise, immer: Wenn ein Hund vor mir steht und mit dem Schwanz wedelt, dann freut er sich mich zu sehen und möchte gleich von mir gestreichelt werden. Ganz großer Irrglaube, leider. Hunde wedeln zwar auch mit dem Schwanz wenn sie sich freuen, sie tun das aber unter anderem auch, aus Nervosität oder einfach aus einem erhöhten Erregungszustand. Unser Hund zum Beispiel freut sich, abgesehen von uns, eigentlich über niemanden wirklich und angefasst werden möchte sie gleich dreimal nicht. Trotzdem steht sie oft mit wedelndem Schwanz im Raum und schaut den Besuch an. Aber wehe der Besuch bewegt sich auf sie zu, dann wird auch schon mal geknurrt.
Seit also bitte nicht so ignorant und naiv wie ich früher und patscht jedem fremden Hund gleich aufs Gesicht, nur weil er süß aussieht und mit dem Schwanz wedelt. Viele Hunde finden das nämlich eher ziemlich blöd.
..dass Hunde genau so unterschiedliche Charaktere haben, wie wir Menschen auch
Man sollte meinen das ist irgendwie klar. Mir war es das aber irgendwie so ganz und garnicht. In meiner Welt waren alle Hunde glücklich, wenn sie raus konnten, Ball spielen durften, Essen bekommen und abends auf dem Sofa gekuschelt werden. Aber es ist wie bei Menschen auch, der eine ist gern stundenlang draußen in der Natur, der andere bewegt sich bei Regen keinen Meter vor die Tür. Der eine liebt es, wenn viel Trubel ist und gespielt wird, der andere ist eher zurückgezogen und braucht viel Ruhe. Der eine kuschelt gern und möchte am liebsten von allen gestreichelt werden, der andere kommt vielleicht nur selten zum Kuscheln und möchte von fremden Personen garnicht angefasst werden.
Hunde sind unterschiedlich und das ist auch gut so! Man sollte auf deswegen immer auf die individuellen Bedürfnisse der Vierbeiner eingehen und sie nicht ignorieren.
.. dass es ok ist wenn dein Hund nicht mit jedem klarkommt.
Am Anfang hatte ich den Anspruch, dass mein Hund jedes Familienmitglied und jeden Freund mögen muss. Genau so auch umgekehrt. Dieser Meinung bin ich mittlerweile überhaupt nicht mehr. Auch ich komme mit manchen Menschen besser und mit anderen wiederrum schlechter klar. So wie die misten von uns. Wieso sollte mein Hund nicht auch dieses Recht haben dürfen? Wenn er mit jemandem nicht zurecht kommt, ist es total ok sich zurück zu ziehen oder zu signalisieren (natürlich nicht mit Bissen oder anderem aggressiven Verhalten!) dass er von Dem- oder Derjenigen in Ruhe gelassen werden möchte.
.. dass ein Hund nicht den ganzen Tag beschäftigt werden möchte.
Ich habe mir immer Sorgen darüber gemacht ob ich einen Hund wohl angemessen auslasten kann oder ob ich nicht doch zu wenig Zeit habe. Auch als der Hund dann da war, hatte ich zunächst oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal Dinge nur für mich machen wollte oder den Hund nicht dabei haben wollte. Dabei war es auch völlig egal, ob ich davor erst zwei Stunden mit ihm draußen war und getobt habe, den ganzen restlichen Tag mit ihm gekuschelt habe oder ihn irgendwie anders beschäftigt habe. Ich hatte immer Sorge, dass Wilma langweilig ist, ich ihr nicht genug Aufmerksamkeit schenke oder sie sich noch nicht genug bewegt hat.
Es hat eine Weile gedauert bis mir klar wurde, dass es genau umgekehrt war. Wenn ich im Arbeitszimmer an meinem Computer sitze und Wilma sich im Wohnzimmer auf den Teppich legt und schläft, denkt sie nicht "ach mir ist so langweilig, kann mal bitte jemand kommen und was mit mir unternehmen", sondern sie möchte sich ausruhen, zieht sich dabei mit Absicht zurück und ist happy damit, dass ihr keiner auf den Nerv geht. Das ich Helikoptermutti also immer wieder angerannt kam, war nicht nur völlig überflüssig, sondern sogar schlecht.

.. dass "gerettete" Hunde, nicht dankbar sind (sein müssen), sondern nur glücklich.
Wie viele die sich einen Hund aus dem Tierschutz holen, hatte auch ich (natürlich hätte ichs niemals zugegeben) insgeheim, die romantische Vorstellung, dass ich einen Hund rette und er mir dann auf ewig dankbar sein wird und mich deshalb liebt. Mittlerweile weiß ich 1. dass das nicht so ist und 2. dass ich das garnicht wollen würde.
Hunde können meiner Meinung nach, nicht wirklich verknüpfen, dass jemand sie gerettet hat. Ihnen geht es einfach gut und sie lieben dich dafür. Das reicht aus und führt außerdem nicht dazu, dass man ständig "Mitleid" mit dem Hund hat. Hunde denken auch nicht über die Vergangenheit nach, sie sind einfach da und sind entweder glücklich oder nicht.
.. dass das Leben mit einem Hund mich nicht einschränkt.
Ich habs am Anfang schon gesagt, vor allem die Menschen um mich herum aber auch ich selbst hatte zunächst Zweifel, dass das Leben mit einem Hund mich doch auf die eine oder andere Weise einschränken wird. Über die Zeit habe ich gelernt, dass nur die Vorstellung von dem wie mein Leben zu sein hat eingeschränkt ist. Ich könnte heute wirklich nicht einen Punkt nennen, indem ich mich durch Wilma eingeschränkt fühle. Ich mache noch immer die exakt selben Sachen, die ich auch vorher gemacht habe, nur jetzt mit Hund. Und wenn ich mal etwas ohne Hund unternehmen will (was zugegebener Maßen, garnicht mal so häufig vorkommt), dann lasse ich ihn Zuhause, frage meine Familie ob sie aufpasst oder finde irgendeine andere Lösung mit der alle glücklich sind.
Natürlich kommt das auf deine Prioritäten an, wie flexibel du bist und so weiter. Aber spontan fallen mir auch nur wenige Lebensmodelle ein, bei denen ein Hund dich wirklich massiv einschränkt und es keinen Weg gibt beides miteinander zu vereinbaren. Und um einfach mal ein Paar dinge aufzugreifen:
- Ja man kann noch Urlaube machen. Für uns ist das Thema Urlaub kein soo großes Thema gewesen, da man beim Campen mit einem Hund weniger bedenken muss, als vielleicht bei einer Flugreise. Aber auch da gilt: es gibt Hundefreundliche Hotels oder Apartments, Wenn ihr einen sehr kleinen Hund habt dürft ihr ihn auch als "Handgepäck" mit in den Flieger nehmen, man kann die Hunde bei Freunden oder Familie lassen, es gibt Hundepenisonen...
- Restaurantbesuche: mit ein bisschen Übung, sind die meisten Hunde in Restaurants sehr entspannt, Es gibt viele Resurants, in denen Hunde erlaubt sind und selbst wenn das nicht der Fall ist, draußen darf man fast immer mit Hunden sitzen. Die meisten Restaurant sind sogar sehr Hundefreundlich und stellen zum Beispiel gleich einen Napf mit Wasser an den Tisch. Und auch hier, sollte all das nicht möglich sein, gibt es immer noch die Möglichkeit den Hund für ein paar Stunden zuhause zu lassen.
... dass das Leben nicht so kompliziert sein muss wie wir oft denken
Zum Schluss möchte ich gerne noch darauf eingehen, wie positiv ein Hund mein Leben insgesamt beeinflusst hat. Meine Sichtweise auf kleine oder große Probleme, Stress im Alltag und das Leben im allgemeinen haben sich über die Zeit verändert. Sehr positiv, in meinen Augen. Vieles ist für mich egaler geworden. Es ist nicht mehr so wichtig, was andere Menschen denken. Diesen Blog zum Beispiel, hätte ich früher niemals gestartet. Nicht weil ich früher noch nichts zu sagen hatte, oder keinen Spaß am schreiben hatte, sondern nur weil ich angst davor hatte, was andere darüber denken könnten. Es ist auch nicht immer wichtig, für alles einen Plan zu haben. Ich kann mich viel mehr treiben lassen, als früher. Viele Problemchen aus dem Alltag wirken plötzlich auch garnicht mehr so wichtig, und und und.
Man freut sich auch viel mehr über die kleinen Dinge. Man freut sich wenn der Hund einen an der Türe begrüßt wenn man nachhause kommt, man freut sich über schönes Wetter beim spazieren gehen, man freut sich über einen schönen festen Kackhaufen.. ok reicht an der Stelle. Aber ich denk es ist klar worauf ich hinaus will. Man lernt so vieles, auch im eigenen Alltag, mehr zu schätzen und umgekehrt sind andere Dinge überhaupt nicht mehr so wichtig. Zumindest mir nicht.
Man kann soviel vom Zusammenleben mit einem Hund lernen und sich auch ein Beispiel an ihm nehmen. Klingt doof ich weiß, ist aber wirklich so. Man lernt von seinem Hund genügsamer zu sein, nicht so sehr in der Vergangenheit zu leben und das Leben zu genießen wenn man es kann.
Ich geb zu das Ende ist in die poetische Richtig abgedriftet, aber die Zeit mit Wilma bisher, hat mir so vieles gegeben und ich habe unheimlich viel gelernt. Über Hunde im allgemeinen, über das Leben mit Hund, aber auch über mein eigenes Leben, meine Prioritäten und mich selbst.